In der Gegend, in der ich lebe, hat die AfD bei der Hessenwahl in einigen Dörfern über 20, ja sogar über 30 Prozent bekommen. Sicher, es sind nur kleine Dörfer, oft mit 100 oder 200 Einwohnern, aber die Balkendiagramme sehen übel aus. Bei Facebook schrieb ein Freund das folgende Zitat, und meine Antwort darauf fiel dann etwas länger aus, denn dieses Thema treibt mich gerade um.
Vielleicht kann ein Ansatz sein, dass man in Vereinen und Kirchengemeinden mit den Wähler*innen der AFD reden kann. In Mainz erreiche ich, komme ich erst gar nicht ins Gespräch, weil sie sich nicht zu erkennen geben. So könnte man hoffentlich noch die überzeugten Rassisten von fehlgeleiteten Protestwähler trennen.
Ich sehe es prinzipiell genauso, aber meine Erfahrungen sind eher schlecht. Mir ist es schon passiert, dass jemand am Sportplatz rumblökt, dass für ihn nur die AfD in Frage kommt. Das will ich natürlich genauer wissen, aber letztlich siegen da Phrasen und Lautstärke. Und nach meiner Erfahrung möchten sich die meisten Leute dann gar nicht einmischen, entweder wird genickt oder weggeguckt, aber keiner macht sein Maul auf. Die Schreihälse gewinnen. Versucht man, eine echte Diskussion zu führen, gilt man wahlweise als arrogant, als Besserwisser, als Akademiker. (Nicht, dass es mich irgendwie kümmern würde, wie andere Leute mich sehen.)
Letztens nach dem Tischtennis: Ein Spieler der anderen Mannschaft fängt an zu erzählen, dass der George Soros ja die ganzen NGOs gegründet hat, die die Flüchtlinge auf den Weg schicken. Natürlich weise ich dann darauf hin, dass das erstens Blödsinn ist und zweitens “Soros” ein rechtsradikales Codewort für Judenhass ist. Reaktion um mich rum: nix. Hat es was bei dem Typen gebracht? Er zieht sich ernsthaft auf “Das ist halt mein Weltbild” zurück.
Sein Weltbild.
Das sehen wir ja hier bei Facebook, dieses Weltbild.
Ich mache ja auch hier Gegenwind, wenn irgendwelche rechtsradikale Scheiße gepostet wird. Erfahrung? Man postet unter zB ein Fake-Zitat, das ein Grünen-Politiker nie von sich gegeben hat, einen Link zu Mimikama oder ähnliches, wo das widerlegt wird.
Ein Klick ist das dann entfernt.
Ein fucking Klick.
Die Folge? Wird ignoriert. Die Leute posten unter den eigentlichen Beitrag fröhlich ihre Hass-Smileys. Und teilen es. In Massen. Sorry, Leute, aber ihr werdet von mir geblockt. Nicht, weil ihr konservativ seid, nicht, weil ihr Sorgen habt, sondern weil ihr unbelehrbar weiter Scheiße teilt, die ich nicht auf meinem Schirm haben möchte. Selbst wenn ihr hier bei mir im Kaff wohnt und wir uns im wahren Leben oft über den Weg laufen.
(Am Rande: ich bin als praktizierender Atheist den Kirchen für ihre Haltung und ihren Einsatz sehr dankbar. Unterdessen sehe ich aber auch Leute hier bei Facebook, deren Profil aus zwei Dingen besteht: Christlicher Ikonografie und Ausländerhass-Memes. Ich wage zu bezweifeln, dass so jemand auch innerhalb der Kirchengemeinde zu erreichen ist.)
Der Journalist Hasnain Kazim twitterte gestern:
Meine Erfahrung (auch aus anderen Ländern): Zehn bis fünfzehn Prozent unbelehrbare Vollidioten gibt es überall. Wieso sollte Hessen eine Ausnahme sein?
Wie arrogant, was?
Aber verdammt richtig.
Ich glaube nicht, dass man in Vereinen oder sonst wo diese zehn bis fünfzehn Prozent erreicht. Trotzdem mache ich es auch weiterhin. Nicht, weil ich alle davon überzeugen wollte, wie toll die Grünen sind und das alle die wählen sollen. Um Gottes willen.
Nicht jeder AfD-Wähler ist ein Nazi. Aber jeder AfD-Wähler unterstützt eine Partei, die offen faschistische Tendenzen zeigt. Das kann man nicht rausreden mit “ja, aber die da oben und Denkzettel und so”.
Es ist eine Stimme für Faschismus. Punkt.
Und so müde das auch macht — und verdammt müde bin ich … im Sportverein, auf Facebook, auf der Straße … das alles macht so scheißmüde … aber Schweigen ist keine Lösung.
Das tun schon zu viele.